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"In diesem Moment. Jetzt.
Wo auch immer wir sein mögen.
Immer wieder und immer wieder.
In diesem Moment. Jetzt. Beginnt der Rest unseres Lebens.
Und immer noch haben wir so viele Möglichkeiten.
Immer noch können wir so vieles versuchen.
Aber wir tun es nicht.
Und irgendwann wird es zu spät sein.
Wir müssen unsere Leben ändern!
Das wissen wir alle. Natürlich.
Und das Beste wäre es sofort zu beginnen.
In diesem Moment.
Jetzt.
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Aber was können wir tun?
Wir müssen uns konzentrieren.
Auf den Sinn.
Auf nichts anderes.
Aber sind wir frei genug dafür?
Können wir denn überhaupt etwas tun, etwas anderes, als das, was sowieso einfach so von uns getan wird?
Wieviel Macht haben wir über die Dinge?
Die wir tun.
Die uns zustossen.
Wieviel Einfluss haben wir auf die Entwicklung unseres Leben?
Und wenn ja. - Wieviel Einfluss haben wir auf die Entwicklung der Menschheit, von der wir abhängen?
Macht es denn überhaupt Sinn irgendetwas zu versuchen?
Oder…
Sollten wir uns einfach ganz und gar gehen lassen und den Dingen ihren Lauf lassen...?
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Aber wäre das denn schön?
Ist es nicht heldenhafter, sich gegen den Lauf der Dinge zu stellen?
Einzustehen, für die Dinge, an die man glaubt?
Und standzuhalten, gerade in Zeiten in denen es immer schwieriger wird?
Ist das nicht gerade das, was den Helden definiert?
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Aber wir wissen doch gar nicht mehr, woran wir glauben können?
Alles ist so komplex und so widersprüchlich geworden.
Wir haben unseren Norden verloren.
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Weil es ihn nie gab.
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Wir existieren in einem unbegreiflichen Universum.
Wir haben keine Ahnung, ob dieses Universum einen Sinn hat.
Wir wissen nicht, was für eine Rolle wir hier spielen.
Wir wissen nichts.
Gerade erst haben wir begonnen uns mit offeneren Augen um zu schauen.
Wir kamen aus der Höhle unserer Nacht und seit ein paar Stunden erst bricht der Tag an.
Unsere Augen gewöhnen sich nur sehr langsam an das Licht.
Noch tasten wir mehr, als wir sehen.
Aus tiefem Traum sind wir erwacht.
Wir wissen nicht, wie uns geschieht.
Alles in uns geht drunter und drüber.
Wir setzen uns.
Wir spüren die Wärme der Sonne.
Wir beginnen unsere Gedanken zu ordnen.
Wir sehen die anderen.
So viele, die gar nicht denken wollen.
Die einfach nur das neue freie Dasein ausprobieren und sich gehen lassen wollen.
Als gäbe es kein Morgen.
Und die anderen.
Die auf so andere Art überfordert sind von der Freiheit.
Die so dringend Beschränkung nötig haben.
Und sie allen anderen aufdrängen müssen, weil sie zu schwach sind die Freiheit auszuhalten...
Wir aber ahnen, dass das nicht alles gewesen sein wird.
Wie auch immer die nächste Zeit ausgehen wird.
Was auch immer uns an Chaos überschwemmen wird.
Das wir teilweise nicht verhindern werden können.
Wir müssen weiter denken…
Uns vorbereiten auf eine Zeit danach.
Es ist vielleicht unvermeidlich.
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Und es ist ja auch verständlich, dass unter den ersten Strahlen der Freiheit ein großes Chaos ausbricht.
Wir sind überfordert.
Wir kommen nicht mit dieser neuen Freiheit zurecht.
Wir kennen keine Grenzen mehr.
Wir wollen nur noch sein.
Wie Tiere, die von einer Leine gelassen wurden.
Alles ausprobieren.
Ah, so viele, die sich zu Tode fressen werden, an all den neuen, ungeahnten Genüssen.
Und so viele mehr, die unschuldige Opfer werden müssen, derjenigen, die unendlich gefrässig sind und keinen Halt kennen in ihrer Gier.
Und die anderen, die dieser Gier ihre Panik entgegenwerfen...
- Was für ein Massaker, in dem wir uns befinden!
Und was da alles noch auf uns zu kommt!
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Aber irgendwann wird es wieder ruhiger werden.
Und dann beginnt die Zeit der großen Diskussion.
Irgendwann werden wir genug von unserer Dummheit haben.
Bis dahin werde ich nachdenken.
Mich bilden.
Mich vorbereiten.
Mir meine Worte suchen.
Nachdenken.
Und schreiben.
Bessere Antworten suchen.
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Was wollen wir tun, hier, in unserer Situation, als Menschen, als Menschheit?
Wir sind eine Tierart, der etwas so Wundersames zugestoßen ist.
Wir haben Bewusstsein unserer selbst bekommen: Wir wissen, dass wir eine Tierart sind, der etwas Seltsames zugestoßen ist: eine Tierart, die plötzlich Bewusstsein ihrer selbst bekam.
Und mit diesem Bewusstsein unserer selbst kam auch unser Bewusstsein unseres Todes.
Das Bewusstsein unserer eigenen Endlichkeit.
Wir wissen, dass wir sterben müssen.
Als Individuen, aber vermutlich auch als Menschheit.
Und vor diesen Hintergrund ist die Frage, was der Sinn unserer Existenz, als einzelner, und als Menschheit, sein könnte, unerträglich schwer zu beantworten.
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Ich habe eine Antwort für mich gefunden.
Nach langen Jahren des Nachdenkens, des Leidens, des Scheiterns.
Ich weiss jetzt, was die Antwort ist:
Ich will stolz sein.
Stolz darauf, wie ich in dieser Situation standhaft bleibe.
Mich keinen Illusionen hingeben.
Keiner Versuchung nachgeben.
Nicht resignierend.
Sondern:
Widerstehend.
Stehenbleibend.
Stolz, erhobenen Hauptes, meine Unwissenheit eingestehend, aber durchdrungen mit dem Wunsch stolz zu sein, schön zu sein, stark zu sein.
Das alles aushaltend.
Den Blick nicht senkend.
Auge in Auge mit der Existenz.
Stolz und Schön.
Mit erhobenem Haupt.
Und an dieser Schönheit will ich arbeiten.
Ab jetzt.
In der verbleibenden Zeit.
Die ich nicht ungenutzt verstreichen lassen werde.
Ich will etwas Schönes hinterlassen, in diesem Universum der möglichen Sinnlosigkeit.
Etwas, auf das ist stolz sein kann.
Und ich fange damit an.
Ich erhebe meinen Kopf.
Jetzt.
In diesem Moment.
Jetzt.
DREI JAHRE SPÄTER
Die Epedemie, der Krieg und die katastrophalen Aussichten für das kommende Jahrhundert in Bezug auf das Klima und die Umwelt-Katastrophen, denen wir uns unvermeidlich gegenüber sehen, haben für mich eine sehr interessante Wirkung Auswirkung:
Plötzlich lebe ich im Moment.
Jetzt. In diesem Moment. Jetzt.
Plötzlich bin ich glücklich mit dem, was ich habe.
Absolut glücklich.
Unaussprechlich glücklich
Das Leben ist jetzt.
Die Zukunft wird sein, wie die Zukunft sein wird.
Schon in 10 Minuten kann alles ganz anders sein.
Wir haben keine Ahnung.
Wir wissen nicht was geschehen wird.
Aber wir können versuchen zu sehen, was jetzt ist
Denn darauf kommt es an."